Lissi AHAI 932 - Text: Die Neckarsage in der Johannisnacht

Lissi 932 - Die Neckarsage  in der Johannisnacht – A lenda do fantasma do Neckar na noite de São João

Zu Johannisnacht gibt es eine reiche Tradition. Nicht nur hier bei uns, sonder auch in Deutschland. Daher möchte ich euch heute nun die Sage vom Neckargeist erzählen, a lenda do fantasma do rio Neckar na noite de São joão.   In des Sommers Johannisnacht hört man oft an den kühlen Ufern des Neckars ein merkwürdiges Singen und Rufen aus den Tiefen des Wassers kommen. Manchmal ist es dem einsamen Spaziergänger auch, als würde er den ängstlichen Hilfeschrei eines  ertrinkenden Menschen hören. Er versucht aber dem Geschrei  nicht nachzugehen. Denn der Rufer ist der uralte Neckargeist, der in Johannisnacht auf ein Menschenleben ausgeht. Wer seinem Rufe folgt, den lockt er mit zauberischem Gesang in den Fluss und zieht ihn zu sich in die kalte Tiefe. Umsonst erwarten ihn seine Lieben zu Haus; denn der Geist lässt ihn  nicht lebendig  davon kommen.  Wer aber eventuell in der Johannisnacht in den frischen Strömen ein Bad sucht, der ist fast unrettbar verloren. Nur ein besonderer Schutz Gottes vermag ihn vor dem  Toben  des mächtigen Geistes zu retten. Mit heftiger Gewalt ergreift der Geist ihn an den Füssen und zieht ihn nieder zum steinigen Grunde des Flusses. Nur die Kleider finden seinen Bekannten am anderen Morgen am Ufer liegen; denn erst am dritten Tag wirft er den Leichnam ans Land. Um den Hals des Toten sieht man dann einen blauen Ring. Das ist ein sicheres Zeichen, dass ihn der Neckargeist in der Johannisnacht erwürgt hat. Tja, liebe Freunde, Sagen gehören zur Geschichte der Menschen sie erzählen ein wenig von ihren Aberglauben, sie halfen ihnen die Welt in uralten Zeiten zu verstehen. 

Quelle: A. Würtenberger, Schwarzwaldsagen, 1930 – Text leicht von mir vereinfacht.