Erinnerungen an den 3. Oktober 1990 in Süddeutschland – von Anja Dullius*

Guten Tag liebe Freunde der Deutschen Stunde der Gemeinden,                  

 Für viele Menschen bedeutete die Teilung Deutschlands durch die Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ nach dem Zweiten Weltkrieg und den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 eine Trennung von Familien, eine Abtrennung eines Stücks deutscher Geschichte und Tradition. Diese Grenze war durch russisches Militär hoch gesichert und konnte nicht überquert werden.

Auch ein Teil meiner Familie hat diese Trennung erfahren. Mein Großvater väterlicherseits floh mit seiner Familie als Kind noch während des Krieges aus preußischem Gebiet in Osteuropa nach Ostdeutschland. Nach Kriegsende ging es mit einem Bekannten weiter nach Süddeutschland. Seine Eltern und seine Schwester blieben in der ostdeutschen Besatzungszone, ein Besuch des Familienmitglieds in Westdeutschland war nicht gestattet. Erst nach der Wiedervereinigung konnten sich mein Großvater und seine Familie nach ungefähr 45 Jahren Trennung wiedersehen.

Ich war sieben Jahre alt, als ich den mir noch unbekannten Teil der Familie in Ostdeutschland in der Nähe von Zwickau gleich nach der Wiedervereinigung kennenlernte. Die Grenze war noch kontrolliert und wir mussten stundenlang mit dem Auto warten, bis man passieren durfte. Wir hatten eine Kaffeemaschine als Geschenk im Gepäck und meine Eltern fürchteten deshalb Schwierigkeiten an der Grenze zu bekommen.

Die Bewohner der Ostzone waren durch die dortige Zentralverwaltungswirtschaft, bei der der Staat die wirtschaftliche Planung übernimmt,  einen niedrigeren Lebensstandard gewohnt. Durch das System des Kommunismus gab es keinen Besitz. Alles gehörte dem Staat und dieser bestimmte. Wer dagegen war, wurde bald erkannt und kam ins Gefängnis.

Ich erinnere mich an heruntergekommene, graue, hohe Gebäude; graue Städte mit schlechter Luft. Das unangenehm riechende Plumpsklo auf dem Gang, welches man sich mit anderen Hausbewohnern teilen musste; das Fernsehen begann morgens mit dem immer gleichen Programm, in den Geschäften gab es wenig Auswahl und die Restaurants hatten zwar eine Speisekarte, doch wurde meist nur ein Gericht gekocht. Meine Eltern staunten, wie günstig man einkaufen und essen konnte, die Inflation in der DDR war hoch und das Geld nichts mehr wert.

Mein Großvater hatte es da in Westdeutschland besser getroffen. Die freie Marktwirtschaft ließ eine Entwicklung an technologischem Fortschritt zu, Demokratie und Meinungsfreiheit garantierten Individualismus und Selbstbestimmung eines jeden Einzelnen und das Recht auf Besitz verhieß Wohlstand. Mit der Wiedervereinigung 1990 war es in Deutschland eine anspruchsvolle Aufgabe an die Politik und jeden einzelnen Deutschen diesen Graben der Geschichte zu überwinden. Bis heute hat man das Gefühl, dass es noch nicht vollständig gelungen ist.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und bis zum nächsten Mal. Es grüßt Sie aus Estrela, RS,

Ihre Anja Dullius

*Anja Dullius ist die neue Kommentatorin unserer deutschprachigen Radiosendung AHAI – A Hora Alemã Intercomunitária/Die deutsche Stunde der Gemeinden. Sie lebt und arbeiteit als Biologin an einer Biogasfirma in Estrela, RS, Südbrsilien, und wurde von Dozentin Lissi Bender vorgschlagen, sie während dem Endspurt ihrer Doktorarbeit in Tübingen in den nächsten Monaten als AHAI Kommentatorin zu ersetzen.

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